Düsseldorf Skyline

Stadtführung: Düsseldorf aus der Sicht von Obdachlosen

An der Pinnwand neben der Tür hängt ein Zettel mit einem Schwarz-Weiß-Bild, auf dem eine lächelnde Frau abgebildet ist. Der kurze Text informiert darüber, dass die fiftyfifty-Verkäuferin nach kurzer Krankheit verstorben ist – im Alter von gerade einmal Mitte 50. Es ist das erste, aber nicht das letzte Mal an diesem Tag, dass ich schlucken muss.
Wir warten in den Räumlichkeiten der Obdachlosenzeitschrift fiftyfifty in Oberbilk auf den Beginn einer besonderen Führung. André und Patrick, fiftyfifty-Verkäufer und ehemalige Wohnungslose, zeigen uns Düsseldorf von einer anderen Seite. Aus der Sicht von Menschen, deren Anblick für die meisten von uns inzwischen so alltäglich ist, dass sie uns häufig gar nicht mehr besonders auffallen. Aus der Sicht von wohnungslosen Menschen.

Wohnungslos in Düsseldorf
In den zweieinhalb Jahren, in denen ich nun schon in Düsseldorf lebe, sind mir die vielen wohnungslosen Menschen in nahezu jedem Stadtgebiet, aber vor allem in der Innenstadt trotz einer gewissen „Gewöhnung“ immer wieder aufgefallen. Man muss nur einmal sonntagmorgens in Richtung Zentrum laufen, um beim Blick in die Hauseingänge starke Zweifel daran zu bekommen, dass man sich in einer der wohlhabenderen Städte Deutschlands befindet.

So betreut etwa das Café Trebe angeblich über 300 wohnungslose Mädchen und Frauen zwischen 12 und 25 Jahren. Johannes, Streetworker bei fiftyfifty und unterstützender Begleiter unserer beiden Führer, möchte sich aber lieber nicht auf konkrete Zahlen festlegen.

Wer ist eigentlich wohnungslos? Jemand, der bei Freunden auf der Couch schläft? In der Gartenlaube? Oder wirklich nur jemand, der auf der Straße lebt? Letztendlich sei es auch kaum möglich, die Betroffenen zu zählen. Unabhängig davon, wie viele Menschen in Düsseldorf nun wirklich ohne festen Wohnsitz sind – mir jedenfalls scheinen es erschreckend viele zu sein.

Patrick und André stellen sich zu Beginn der Führung vor. Beide haben auf der Straße gelebt und werden uns heute zu Orten führen, die sie mit dieser Zeit verbinden. Meine Begleitung und ich sind froh, dass die interessante, ausführliche Einleitung im warmen fiftyfifty-Büro stattfindet. Draußen ist es bereits ziemlich kalt, und wir können uns kaum vorstellen, wie man es schafft, den Großteil seines Tages in dieser Kälte zu verbringen.

Unsere beiden Führer haben inzwischen wieder feste Wohnsitze, Patrick ist bereits seit etlichen Jahren in einer Drogenersatztherapie. Er freut sich, an einem kalten Tag wie diesem die Führung machen zu können, statt etliche Stunden mehr in der Kälte Zeitungen zu verkaufen. Vor allem aber freut er sich darauf, schnell wieder bei seinen beiden Katzen sein zu können.

Er trägt modische Turnschuhe, weite, beige Jeans und eine blaue Stoffjacke, die mir persönlich für das Wetter etwas zu dünn erscheint – aber ich bin auch eine extreme Frostbeule. All das verdanke er fitftyfifty, erzählt er. Durch den Verkauf der Zeitungen käme er ganz gut über die Runden, die Kleidung, die er benötigt, bekäme er bei verschiedenen Ausgabestellen.

André stimmt ihm zu. Er trägt eine schwarze Jeans und eine mintfarbene Daunenjacke. Patrick sieht man die harte Zeit, die er hinter sich hat, ein wenig an – und im Grunde hat er sie ja immer noch. Bei André hingegen, der nie Drogen genommen hat, käme wohl niemand auf die Idee, dass er einmal auf der Straße gelebt hat. Die Normalität, die sie nun wiedererlangt haben, verdanken sie zu einem Großteil fiftyfifty.

Die Organisation hilft den Frauen und Männern unter anderem bei der Job- und Wohnungssuche, betreibt den Gutenachtbus, der nachts für sie eine wichtige Anlaufstelle ist, vermittelt falls notwendig Ärzte und Anwälte, und nicht zuletzt ermöglicht sie ihnen durch den Verkauf der Zeitung fiftyfifty, deren Erlös sie zur Hälfte behalten dürfen, den Weg zurück in ein geregeltes Leben zu finden. All das bewahrt soweit wie möglich die Würde und stärkt das Selbstbewusstsein.

Unsere beiden Führer erzählen, für viele ihrer Kollegen sei der Verkauf der Zeitungen wie einen richtigen Beruf, den sie auch so angingen. Sie hätten feste Arbeitszeiten, ganz so als gingen sie ins Büro. Für sie ein Schritt zurück in einen geregelten Alltag.

Obdach in Düsseldorf
Aber nun starten wir in Richtung Hauptbahnhof. Zuerst halten wir vor einem Haus in dessen unmittelbaren Nähe. Dort finden Wohnungslose eine Unterkunft. Patrick erzählt, dass er dort eine Zeit lang gelebt hat. Die Zimmer sind gerade so groß, dass Bett, Tisch, Stuhl und Schrank hineinpassen und der Bewohner sich um sich selbst drehen kann. Patrick führt Letzteres anschaulich vor.

Ich fühle mich spontan an das eine oder andere Studentenwohnheim erinnert, in dem ich früher Freunde besucht habe. Die Bewohner der Unterkünfte teilen sich eine Küche und dürfen ab 19 Uhr keine Besucher mehr empfangen. Ein Zimmer kostet 175 € Miete. Wer die nicht zahlen kann, muss das Haus wieder verlassen.

Als Außenstehende gefällt mir dieses Konzept trotzdem besser als das anderer Häuser, von denen die beiden erzählen. Dort kommt der Staat für die Miete auf, der Kühlschrank ist gefüllt, lediglich das Essen muss selbst zubereitet werden. Spontan denke ich, dass das erste Modell den Menschen in Notsituationen mehr Würde lässt, und hilft, das vermutlich angeknackste Selbstbewusstsein zu stärken. Obwohl, oder eben gerade, weil es mehr Arbeit und Selbstverantwortung erfordert.

André und Patrick erzählen, dass die Bewohner nach Beantragung den Unterkünften aufgrund verschiedener Gesichtspunkte zugeteilt würden. Dabei spielten sowohl der Stadtteil, aus dem sie stammen, als auch ihre individuellen Lebensumstände eine Rolle. Nicht alle Menschen käme mit den Regeln der Häuser klar. Alkohol sei verboten, häufig auch Haustiere, die für viele Wohnungslose ein wichtiger Halt seien. Oft dürften Besucher nur bis zu einer bestimmten Zeit im Haus bleiben, bei Damenbesuch müsse die Zimmertür offen stehen und ähnliches.

Die Gruppe der Frauen – die immer noch einen geringen Anteil der Wohnungslosen ausmachen, deren Abstand zu den Männer aber stetig abnimmt – ist wesentlich heterogener als die der wohnungslosen Männer. So sei es beispielsweise schwierig, eine Frau, die vor ihrem gewalttätigen Ehemann flüchtet, mit einer Alkoholikerin oder Drogensüchtigen in einem Haus unterzubringen. Die Frauen werden deshalb in verschiedenen Einrichtungen untergebracht.

Düsseldorf Ellerstraße Brücke Streetart EisenbahnunterführungAls nächstes halten wir vor der Eisenbahnunterführung am Anfang der Ellerstraße. Patrick erzählt, dass er hier in seiner Kindheit einige Male mit seinen Eltern durchlaufen musste. Damals hätten hier noch benutzte Spritzen herumgelegen und Drogensüchtige geschlafen. Er habe dort immer Angst gehabt. Nachdem aber Farbfieber und andere Düsseldorfer Street Art-Künstler die Wände mit durchaus sozialkritischen Bildern verschönert haben, hat sich die Situation zur Freude der Anwohner spürbar gebessert. Patrick gerät nicht zum ersten Mal auf dieser Tour mit den Teilnehmern „ins Plaudern“, André drängt – ebenfalls nicht zum ersten Mal – zum Weitergehen. Er befürchtet, dass wir die Tour sonst nicht im geplanten Zeitrahmen von zwei bis zweieinhalb Stunden schaffen.

 

Schräg gegenüber der Bahnunterführung befindet sich das café pur. Hier könne sich jeder hineinsetzen, günstiges Essen bestellen oder auch einfach nur Wasser trinken. Niemand werde weggeschickt, wenn er nichts nachbestellt. Für viele Obdachlose sei dieser Ort eine wichtige Zufluchtsmöglichkeit. André erklärt uns, dass die Situation für Einrichtungen wie das café pur schwierig sei. Oft müssten sie jährlich gegen ihre Schließung kämpfen.

Abends um kurz vor 20 Uhr stünden die Wohnungslosen Schlange, um einen Platz in der dort ebenfalls untergebrachten Notunterkunft zu erhalten. Aber wer einmal drin ist, kann in der Nacht nicht mehr hinaus. Essen gibt es zwar auch dort zu kaufen, wer aber etwas anderes essen oder etwa Zigaretten kaufen möchte, hat keine Möglichkeit, die Einrichtung vor dem Morgen zu verlassen.

Alkohol ist verboten, in den Gemeinschaftsräumen sei es ratsam, die Wertsachen direkt am Körper zu tragen, damit sie nicht gestohlen würden. Schuhe solle man nicht ausziehen, da auch diese oft gestohlen würden. Für solche Fälle gibt es allerdings einen „Notvorrat“ an Schuhen, sodass niemand barfuß wieder auf die Straße muss.

André erzählt von einer Schlafstelle in der Nähe, in der die Situation anders sei. Dorthin schickten auch viele der ehemaligen Wohnungslosen noch heute Dankesbriefe und spendeten für die Unterhaltskosten.

Unterstützung für Wohnungslose
Unabhängig davon, um welche Schlafstelle es sich handelt, ich kann mir ein solches Leben kaum vorstellen. Erst recht nicht, wenn noch weitere Probleme hinzukommen, wie etwa Drogenabhängigkeit. Hier stehen den Abhängigen verschiedene Ärzte in Düsseldorf zur Verfügung, die sie aber täglich besuchen müssen, wenn sie Ersatzstoffe erhalten.

Da zu wenige Ärzte diesen Service anbieten, betreut ein Arzt schon einmal bis zu 200 Drogensüchtige. Die sind natürlich weder unsichtbar noch mucksmäuschenstill. Und so fühlten sich die Anwohner häufig gestört und versuchten, die Ärzte und ihre Patienten aus ihrer Nachbarschaft zu vertreiben.

André und Patrick betonen häufig, wie wichtig sowohl die Angebote der Ärzte als auch die vielfach ehrenamtliche Tätigkeit von Rechtsanwälten für die wohnungslosen Menschen seien. Die (finanziellen) Schwierigkeiten, die die Unterkünfte und andere Einrichtungen immer wieder haben, bereiten ihnen sichtlich Sorgen.

Der fehlende Wohnraum ist ebenfalls wiederholt Thema. Gerade unter dem ehemaligen Oberbürgermeister Dirk Elbers seien wichtige Projekte gestoppt oder die Mittel dafür beschnitten worden. Auch die durch Armlehnen geteilten Sitzbänke in der Innenstadt wurden in Elbers Zeit als Stadtoberhaupt umgesetzt. Die Lehnen sollen verhindern, dass Obdachlose auf den Bänken schlafen können. Wieder einmal freue ich mich still, dass wir Düsseldorfer klug genug waren, Herrn Elbers abzuwählen.

An einem Pfandhaus in Bahnhofsnähe halten wir das nächste Mal. André erklärt, wie wichtig Pfandhäuser für Menschen in ihrer Situation seien. Banken gäben ihnen natürlich kein Geld, und wenn sie nicht genug Geld für Essen hätten, könnten sie Sachen versetzen und so zumindest einige Mahlzeiten sichern.

Die Gegenstände könnten bis zu sechs Monate dort aufbewahrt werden. Aber wenn man regelmäßig dort vorbeischauen und die Aufbewahrung des Pfands verlängern würde, könne es im Grunde ewig dort aufbewahrt werden. Das alles koste nur wenige Euro oder gar Cent, abhängig vom Wert des Gegenstandes. Besonders wichtig ist es André und Patrick, darauf hinzuweisen, dass die Pfänder wieder ausgelöst werden könnten und somit für den ursprünglichen Eigentümer nicht verloren seien.

Wir halten kurz an der Charlottenstraße. „Ein trauriger Ort“, wie sowohl André als auch Patrick betonen. André schätzt, dass hier rund 25 Frauen mehr oder weniger regelmäßig stehen und auf Freier warten. Da sie ihre Körper oft durch jahrelangen Drogenkonsum zerstört haben, können sie nicht im Bordell arbeiten und müssen sich auf der Straße für geringe Beträge an Männer verkaufen.

Mich schüttelt es. Und noch mehr, als André erzählt, dass einige Freier hier und auch anderswo versuchten, „Frischfleisch“ in Schulen zu ködern. Sie suchten gezielt nach wenig selbstbewussten Mädchen, denen man ansehen könne, dass sie nicht viel Geld und vielleicht auch nicht viel Zuwendung hätten. Meine Begleitung und ich sind entsetzt, so viel Kaltblütigkeit macht mich immer wieder sprachlos. Ich bin sehr dankbar, dass André wieder einmal darauf drängt, weiterzugehen.

 

Wir nähern uns dem Ende der Tour. An der Johanneskirche legen wir den letzten Halt ein. Eigentlich wollten wir bis zum Carsch-Haus gehen. Aber die Menschenmassen, die sich in der beginnenden Vorweihnachtszeit durch die Innenstadt schieben, würden unserer Gruppe sowohl das Vorankommen als auch die Gespräche erschweren.

Bisher kannte ich die Johanneskirche nur als die Kirche, die das Occupy Camp unterstützte. Patrick bestätigt das noch einmal. Außerdem könne man aber im Café der Kirche längere Zeit verweilen, ohne dass man hinausgeworfen werde. Ich bin ebenfalls sehr angetan von der schönen Kirche, in deren Vorraum sich ein kleines Café befindet. Es fällt mir keine Kirche ein, in der ich schon einmal etwas Vergleichbares gesehen hätte.

Düsseldorf Abriss Hochstraße TausendfüßlerAndré und Patrick geraten geradezu ins Schwärmen. So solle eine Kirche sein, unterstützend, beschützend und mildtätig. Sie berichten, dass in diesem Jahr mit dem Abriss des Tausendfüßlers, der Hochstraße, die direkt an der Kirche vorbeiführte, ein wichtiger Schutzraum für die Obdachlosen, die in seinem Schatten geschlafen haben, weggefallen sei.
Es käme nämlich vor, dass schlafende Obdachlose beklaut und sogar verprügelt würden. Oft genug tauchten Aufnahmen von diesen Straftaten im Internet auf. Plätze, die geschützt liegen, böten eine gewisse Sicherheit. Ich muss wieder einmal schlucken. Ein solch hartes Leben kann ich mir nur schwer vorstellen.

Die Arbeit als Zeitungsverkäufer
André erzählt, dass es aber zugleich viele Unterstützer gäbe. So erhielten etwa die fiftyfifty-Verkäufer und (andere) wohnungslose Menschen bei einem großen Bäcker in der Altstadt kurz vor Ladenschluss kostenlos Backwaren. Jeden Tag. Außerdem spende der Bäcker regelmäßig für die Einrichtung. Er wolle nicht, dass das an die „große Glocke“ gehängt wird, er wolle einfach helfen. Auch die Ladeninhaber rund um die Kö spendeten regelmäßig Schlafsäcke oder führten andere Aktionen durch.

Aber natürlich gibt es auch hin und wieder Probleme. So verbot meine Lieblingsconfiserie Heinemann kurzzeitig den Verkauf von fiftyfifty vor dem Geschäft in der Nähe der Kö, nachdem es dort mehrfach zu Rangeleien unter den Verkäufern um die gute Verkaufsstelle gekommen war. Doch das Unternehmen zeigte sich gesprächsbereit und konnte mit den fiftyfifty-Sozialarbeitern eine Lösung finden, sodass heute wieder Verkäufer vor dem Geschäft stehen dürfen.

Ähnliches passierte vor kurzem mit Aldi. Als erstes Unternehmen überhaupt untersagte Aldi den Verkauf der Zeitung vor allen Filialen, da es auch hier zu Streitigkeiten um die lukrativen Plätze gekommen war. Nachdem fiftyfifty einem etwas umständlichen Verfahren zustimmte – der Verkäufer holt die Genehmigung der jeweiligen Filiale für einen exklusiven Platz ein (also nur ein Verkäufer pro Filiale), geht dann zum fiftyfifty-Büro, lässt sich dort eine Bescheinigung mit Namen ausstellen (der Name befindet sich üblicherweise nicht einmal auf den Verkäuferausweisen) und gibt diese in der Filiale ab – können die Verkäufer ab Anfang Januar 2015 fiftyfifty wieder vor den Aldi-Filialen verkaufen.

Übrigens müssen alle Verkäufer einen Ausweis bei sich tragen, um sich bei Nachfrage legitimieren zu können. Demnächst werden diese Ausweise auf Wunsch von Aldi durch einen roten Balken auch fälschungssicher sein. Außerdem, meine Begleitung zeigt sich wieder einmal beeindruckt von den gut organisierten Deutschen, haben die Verkäufer der verschiedenen Stadtbezirke seit kurzem unterschiedliche Farben für ihre Lanyards. So fällt schnell auf, wenn sich ein Verkäufer nicht in seinem Gebiet befindet.

Darüber hinaus ist meine Begleitung aber auch etwas geschockt. So hat sie Düsseldorf noch nie gesehen. Vor allem eines lässt ihr keine Ruhe: Im Gegensatz zu den USA hätten wir in Deutschland doch ein sehr gutes Sozialsystem. Trotzdem haben wir die gleichen Probleme, wenn auch in abgeschwächter Form. Das war ihr bisher gar nicht so klar.

Was mich wiederum sehr erstaunt, ist die Anzahl der Zeitungen, die ein Verkäufer im Durchschnitt pro Tag verkauft. Ich hätte etwa zehn bis zwanzig geschätzt. Patrick und André sagen, diese Zeiten seien lange vorbei. Sie verkaufen meist nur zwei oder drei, an guten Tagen vielleicht fünf Zeitungen. Puh, ich muss wohl doch in Zukunft häufiger kurz anhalten und mein Portemonnaie zücken, auch wenn ich in Eile bin.

Ich wünsche mir, dass noch mehr Menschen diese Seite der wohlhabenden Stadt Düsseldorf sehen und die unterschiedlichen Lebensgeschichten der (ehemaligen) Wohnungslosen hören. Jede Geschichte ist einmalig, jede Tour deshalb anders, aber vermutlich alle ähnlich berührend und auch augenöffnend.

Vor allem die verantwortlichen Politiker sollten hier, gerne auch anonym, sehen, was engagierte Menschen mit wenigen Mitteln bewirkt haben. Und vielleicht überlegen sie beim nächsten Mal, ob sie einer Einrichtung die Mittel kürzen oder sie gar schließen, ob sie die Genehmigung für den Bau eines weiteren Luxusbunkers erteilen oder lieber eine menschenwürdige Unterkunft eröffnen, die Menschen dabei unterstützt, wieder ein normales Leben zu führen und sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu fühlen.

Eine Information ist André und Patrick am Ende der Tour aber noch wichtig: Niemand müsse in Düsseldorf auf der Straße schlafen, wenn er das nicht möchte. Es gäbe genug Möglichkeiten, dem zu entgehen. Ich hoffe sehr, dass das noch lange so bleibt – oder was noch schöner wäre: solche Unterkünfte irgendwann einfach nicht mehr benötigt werden.

 

Selbstverständlich bieten auch Einrichtungen in anderen Städte vergleichbare Touren an. Etwa querstadtein in Berlin, BISS in München, Hinz & Kuntz in Hamburg, Trott-war in Stuttgart, Straßenkreuzer in Nürnberg, Asphalt in Hannover, der Caritasverband in Frankfurt, Unseen Tours von Sock Mob in London, Poverty Walk in Kopenhagen und Pragulic in Prag.
 
Die nächsten freien Termine für die Stadtführung von „Straßenleben“ gibt es erst wieder im kommenden Jahr: am 10. und 18. Januar, 8. und 28. Februar, 3. und 21. März 2015. Die Tour dauert zwischen zwei und zweieinhalb Stunden, beginnt im fiftyfifty-Büro in Oberbilk und endet in der Altstadt. Tickets kosten 7 €, ermäßigt 5 €, pro Ticket beträgt die Vorverkaufsgebühr 1,50 €. Gruppentermine können direkt mit Johannes vereinbart werden: 0179-5694717  oder info@strassenleben.org.
 
 

 

6 Gedanken zu “Stadtführung: Düsseldorf aus der Sicht von Obdachlosen

  1. deikitschi schreibt:

    Ich hätte nicht gedacht, das es solche Führungen durch Düsseldorf gibt. Es stimmt aber, das es scheinbar immer mehr Menschen gibt, die auf der Straße leben. Im Sommer fällt es kaum auf, weil es normal ist, sich bei schönem Wetter auf die Straße zu setzen. Im Winter ziehen viele ihren Mantelkragen so hoch und der Schal ist so dick um den Hals gewickelt, das man nicht nach rechts und links gucken kann.

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  2. Georg Schmitz schreibt:

    Ich hatte deinen Beitrag sehr genau gelesen und durch einen totalen Zufall mit einer Obdachlosen-Sozialpädagogin am gleichen Tag gesprochen, die mir alle die von dir (und Andre und Patrick) geschilderten Punkte auch so bestätigte. Das ging schon sehr nahe und hat meine Aufmerksamkeit nochmals geschärft.

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  3. Hubert schreibt:

    Das ist ja echt bitter, dass nur noch so wenige Strassenzeitungen verkauft werden. Egal wo ich bin, wenn ich nicht gerade zum Zug rennen muss, kaufe ich die immer. Egal ob hier in Stuttgart unsere Trottwar (die übrigens eine artgleiche Stadtführung anbieten und die ebenso beeindruckend bedrückend ist), die Freibürger, die Hintz und Kuntz und was auch immer.

    Und ich bin immer wieder begeistert, wie interessant diese sind.

    Danke für den interessanten Bericht!

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    • Futterqueen schreibt:

      Ja, das fand ich auch erschreckend. Gerade solche tollen Initiativen, die Hilfe zur Selbsthilfe bieten, sollte man unterstützen.

      Trott-war und andere Führungen habe ich übrigens am Ende des Artikels erwähnt 😉

      Auch bei den Inhalten der Zeitungen stimme ich dir zu: immer wieder überraschend interessant und abwechslungsreich. Ein Grund, warum ich sie auch wirklich gerne kaufe.

      Und ich freue mich, dass dir der Bericht gefallen hat. Es war mir auch sehr wichtig, dass ich etwas von dem vermitteln konnte, was André und Patrick uns erzählt haben. Vielleicht hilft es ja irgendwie. Schön wäre es.

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